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ToggleDer Mythos von den arbeitslosen Akademikern
Stephan Studius hat vor zwei Jahren seinen Master in Ingenieurswissenschaften abgeschlossen. Seine ganze Familie war sehr stolz auf ihn, da er als Erstes in der Familie einen akademischen Abschluss erworben hat. Er wollte nach seinem Abschluss die Lorbeeren ernten, die in der Uni immer viel zu hoch hingen: dem Bafög Amt auf Wiedersehen sagen. Er wollte durchstarten.
Motiviert schrieb er die ersten Bewerbungen und verschickte bis zu 100 Stück. Er wartete und wartete und bekam zunehmend Bauchschmerzen. Entweder er hörte gar nichts von den Unternehmen oder bekam schnell die „Standard-Absage“.
Er erhielt Woche für Woche eine Absage nach der anderen. Schaffte er es in eines der heiß begehrten Vorstellungsgespräche, wurde er spätestens danach enttäuscht. Auch telefonische Rückfragen halfen ihm kaum weiter, passten andere Profile besser in das Stellenprofil.
Er wollte die freie Zeit sinnvoll nutzen und bewarb sich für unbezahlte Praktika. Die Enttäuschung kam schnell, denn die Unternehmen suchten nur eingeschriebene Studenten. Selbst als er seine Arbeitskraft umsonst zur Verfügung stellen wollte, ließ ihn das Leben im Stich. Nach 6 Monaten Arbeitslosigkeit kamen die ersten Zweifel.
Doch wie schafft es ein Akademiker in Deutschland überhaupt arbeitslos nach Studium zu sein? Der Höhepunkt kam, als Max ein Karriere-Coaching vom Job Center besucht hat. Ihm stockte der Atem, als er auf die anderen arbeitslosen Akademiker traf: Er entdeckte dort arbeitslose Masterabsolventen und Doktoranden. Alle hatten bereits Berufserfahrung, und trotzdem waren sie bereits lange Zeit arbeitslos nach Studium.
Er lernte sogar einen Diplomabsolventen kennen, der seit Jahren Arbeitslosengeld II erhielt, und nein, er war kein Künstler. Die erschreckende Tatsache war für Max die, dass sich dort die top-qualifizierten Absolventen zusammenfanden.
Arbeitslos nach Studium – Die Statistik ist gegen Akademikern
Wenn Max von Oma und Opa gefragt wird, wie es bei der Arbeitssuche läuft, reagieren diese erstaunt, wenn Max seinen Frust teilt. Denn im Fernsehen wird immer über Fachkräftemangel und Arbeitnehmermarkt gesprochen. Die aktuelle Arbeitslosenquote bei Akademikern beträgt immerhin nur 2,5 Prozent. Die Statistik sollte daher auf Max, seiner Seite sein.
Geschichten von endlosen Praktika und Bürgergeld verunsichern trotzdem viele Absolventen und tragen zur Frustration bei. Es ist eine Farce. Zu aller erst sei gesagt: Der durchschnittliche Abiturient verhält sich wie im Schweinezyklus. Studiert einer, studieren alle. So verwundert es nicht, dass während im Jahr 2000 noch rund 33 Prozent der deutschen Abiturienten studierten, es im Jahr 2015 schon 48 Prozent waren.
Natürlich besteht für Naturwissenschaftler auf dem Arbeitsmarkt tendenziell ein größerer Bedarf, sodass sich Geistes- und Sozialwissenschaftler mitunter auf längere Wartezeiten einstellen müssen. Der Trost: Arbeitslose Absolventen sind nicht die Ausnahme, sondern die Regel. Die Zeit bis zum ersten Arbeitsplatz kann sich von ein paar Tagen bis hin zu einem Jahr erstrecken.
Laut dem Statistischen Bundesamt erwerben jedes Jahr rund 400.000 Studenten einen Hochschulabschluss. 20 Prozent benötigen immerhin 6 Monate, um einen Job zu finden, 15 Prozent brauchen sogar ein Jahr, um den Berufseinstieg zu meistern. Rund 12 Prozent sind sogar länger, als ein Jahr arbeitslos. Im Schnitt brauchen Akademiker 3 – 6 Monate, um in das Berufsleben einzusteigen.
Arbeitslos nach dem Studium – wieso du irgendwann deine Ansprüche senkst
Jedes Mal, wenn Max eine Absage bekommen hat, war das eine harte, aber bekannte, Nachricht für ihn. Da war wohl wieder jemand jünger, erfolgreicher, besser, berufserfahrener oder charmanter, als er. Irgendwann wurde er so frustriert, dass er Traineestellen in seine Bewerbungen aufgenommen hat. Er bewarb sich in jeder erdenklichen Branche und irgendwann war ihm sogar die PLZ egal.
Pforzheim ich komme!
Und damit ist er nicht alleine. Bei der Betrachtung nach verschiedenen Personengruppen fällt der Agentur für Arbeit die Gruppe der Akademiker, die arbeitslos nach Studium sind, besonders auf. Ihre räumliche Flexibilität ist ungefähr doppelt so hoch, wie die der restlichen Arbeitslosen. Hinzu kommt, dass die Bewerbungen von Max immer mehr wurden.
Seine Messebesuche waren vor Geschleime nicht zu retten. Seine Bewerbungsmappe wurde von links nach rechts und wieder zurückgedreht. Doch nichts half, er blieb arbeitslos nach dem Studium. Entweder passte der Job nicht, oder er bekam eine Absage noch vor dem Vorstellungsgespräch.
Dein erstes Gehalt ist das Wichtigste deiner gesamten Karriere. Überlasse nichts dem Zufall und nutze den Spickzettel, um souverän auf das Totschlagargument „Ohne Berufserfahrung zahlen wir nicht so viel“ zu reagieren.
Warum das Jobcenter Akademikern mehr schadet, als hilft
Man müsste meinen, dass das Jobcenter oder die Agentur für Arbeit unterstützen sollten. Max hat aber im Studium nie in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt. Dies tut fast kein Student. Nach dem Studium hast du daher in der Regel keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld I, weil du höchstwahrscheinlich noch nicht für zwölf Monate am Stück sozialversicherungspflichtig beschäftigt warst und somit nicht in die Arbeitslosenversicherung eingezahlt hast.
Es besteht für dich nach dem Studium aber die Möglichkeit, einen Antrag auf Arbeitslosengeld II zu stellen, auch Bürgergeld bekannt. Daher ist das Job Center notgedrungen immer dein Freund und Helfer, wenn du arbeitslos nach Studium wirst.
Max musste schmerzhaft feststellen, dass zwischen dem Job Center und der Agentur für Arbeit Welten liegen. Job Center sind Einrichtungen, die 0 € Budget für dich zur Verfügung haben. Hier erwartet dich (im Gegensatz zu der Agentur für Arbeit) oft Ablehnung und Desinteresse.
Für Max fühlt es sich an wie ein Gefängnis. Kam er vom Bafög-Gefängnis, wo er nichts dazuverdienen durfte, geht er jetzt ins neue Bürgergeld-Gefängnis, wo er auch nichts hinzuverdienen darf. Das Job Center setzt ihn teilweise sogar so unter Druck, dass er sich auf Sachbearbeiterstellen bewerben soll.
Denn hoch ausgebildete Akademiker sind nicht die Kernzielgruppe von Job Centern. Diese bringen schon sehr hohe Qualifikationen mit, die aber meist sehr theoretisch und spezialisiert sind. Das Erlangen weitere Qualifikationen (z.B. als Scrum Master) könnte sehr kostenintensiv werden. Da das Jobcenter mit dem Geld 20 Langzeitarbeitslosen den Gabelstaplerschein bezahlen könnte, sind Akademiker der große Verlierer.
Arbeitslosigkeit ist ein realitätsnahes Problem für Akademiker
Jetzt – zwei Jahre später bezieht Max immer noch Arbeitslosengeld II. Da er seine Studienkredite nicht zurückzahlen kann, steht er ferner vor einer Privatinsolvenz. Er ist finanziell komplett perspektivlos geworden. Wie konnte das nur passieren?
Der Studiengang war heiß begehrt, die Nachfrage nach Ingenieuren konstant hoch. Max ist offiziell langzeitarbeitslos. Ja, du hast richtig gelesen, langzeitarbeitslos. Laut der Agentur für Arbeit liegt eine Langzeitarbeitslosigkeit dann vor, wenn jemand mehr als ein Jahr arbeitssuchend ist. Deutlicher wird die Agentur für Arbeit, wenn es um Akademiker geht. Jeder fünfte Akademiker ist von Langzeitarbeitslosigkeit betroffen.
Dies passt nicht in die Glitzerwelt, die wir uns alle im Studium ausgemalt haben. Eins sollte jeder Akademiker wissen: je länger du arbeitslos nach Studium bist, desto schlechter sind deine Karten auf dem Arbeitsmarkt.
Manche Schlaufüchse kaschieren sogar ihre Leerzeiten im Lebenslauf mit gefakten Arbeitszeugnissen von Freunden und Co. (Urkundenfälschung!). Davon rate ich strengstens ab. Überleg dir lieber, wieso du nach so langer Zeit noch arbeitslos nach Studium bist.
Was hält dich davon ab, arbeiten zu gehen? Es gibt Millionen von Jobs in Deutschland. Du hast mindestens einen akademischen Titel. Weder der schlechte Arbeitsmarkt noch die harten Personalabteilungen sind schuld, dass du noch keinen Job hast. Dein Mindset entscheidet über deinen Erfolg.
Arbeitslos nach Studium? – Es braucht eine Karriere-Strategie
Der Bürgegeld-Akademiker wird wohl auch in Zukunft zur Gesellschaft gehören. Findest du dich in Max, seiner Geschichte wider, verzweifle nicht. Die Frage ist nur, ob du langzeitarbeitslos bleiben möchtest? Bist du also noch am Anfang der Bewerbungsphase, möchte ich dir einige Leitfragen mit auf dem Weg geben, damit du schnell und sicher in den Berufseinstieg gehst.
- Wo möchtest du in 10 Jahren arbeiten?
- Möchtest du für immer angestellt bleiben?
- Ist Führungsverantwortung interessant für dich?
- Kannst du dich in der Zeit fort-, oder weiterbilden?
- Ist eine Auszeit oder ein Sabbatical interessant für dich, um den Kopf freizubekommen?
- Was sind deine langfristigen Ziele? Setz dir eine klare Deadline, wann du deine Arbeitslosigkeit beenden möchtest.
Hier lohnt es sich oft Ziele nach dem Studium zu setzen. Beispielsweise ergibt es meist mehr Sinn, einen nicht perfekten Job anzunehmen, um den Druck rauszunehmen. Ein weiterer Vorteil bei dieser Vorgehensweise? Ich persönlich habe es spürbar gemerkt, dass meine Bewerbungen aus einer Anstellung heraus sehr viel mehr Erfolg hatten, als aus der Arbeitslosigkeit. Man will halt doch immer das, was begehrt ist.
In welchem Schritt der Bewerbung bleibst du immer hängen?
Als ich selbst an einem Karriere -Coaching für Akademiker teilgenommen habe, hat mich mein Coach folgende Frage gestellt?
In welchem Schritt der Bewerbung bleibst du immer hängen?
Bekommst du nicht mal Einladungen zum Vorstellungsgespräch, ist deine Bewerbungsmappe vorwiegend die Quelle des Versagens. In meinem Artikel Bewerbungsschreiben nach Studium, zeige ich, dass eine akademische Bewerbung anders auszusehen hat, als eine nicht-akademische Bewerbung. Somit helfen dir die Standard-Karriereseiten, wie Karrierebibel nicht wirklich.
Wirst du nie in die zweite Bewerbungsrunde eingeladen, vermarktest du dich wahrscheinlich zu schlecht. Hierzu habe ich einen Blog-Beitrag vorbereitet, wie du deine Bewerbung nach Studium brandest.
Erhältst du auch nach der zweiten Runde keinen Vertrag, braucht es nur mehr Bewerbungen, um das Gesetz des Durchschnitts zu befolgen.
Wenn du jetzt schnaufst, dass es gar nicht so viele Stellen bei Stepstone gibt, wie du dich gerne bewerben würdest, kann ich dir meinen Blog-Beitrag, nach Studium kein Job ans Herz legen. Hier stelle ich dir den verdeckten Stellenmarkt vor, der Jobs beinhaltet, die nicht mal ausgeschrieben sind.
👉 In einem weiteren Blog-Beitrag habe ich dir viele Möglichkeiten zusammengetragen, wie du während der Wartezeit deine Bewerbung pimpen kannst.
Was sind deine Erfahrungen mit Arbeitslosigkeit nach dem Studium? Schreib gerne einen Kommentar.
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8 Kommentare zu „Arbeitslos nach Studium“
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Ja, nun hört man seit längerem von der Regierung den Begriff: Fachkräftemangel.
Das heisst an sich es gibt Berufe wo die Bundesanstalt für Arbeit eine Arbeitslosenquote
von unter 0% gezählt hat (negative Arbeitslosenquote). Streng genommen kann nur dann
ein neuer Kandidat dort hinein wenn es irgendwo einen freien Platz gibt.
(Gilt auch für andere Märkte z.B. Wohnungen, Grundstücke)
Nicht so streng genommen sollte also die Quote so klein wie möglich sein um etwas
finden zu können, da ja auch neue Stellen geplant sind oder Leute abgehen.
Es gibt also seit Jahrzehnten viel zu viele Arbeitskräfte auf dem Arbeitsmarkt.
Hallo Andi, danke für deine Gedanken zu dem Thema, ja der Fachkräftemangel wird leider immer wieder gezogen. Leider gilt dieser nicht bei jedem Studiengang und jeden Job. Deshalb fühlen sich viele Akademiker nach Studium „sicher“, obwohl die Konkurrenz größer ist, als man denkt 🙂
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